Die US-Regierung setzt Europa bei den Verhandlungen über das transatlantische Handelsabkommen TTIP offenbar deutlich stärker und weiter reichend unter Druck als bisher bekannt. Washington droht damit, Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie zu blockieren, um im Gegenzug zu erreichen, dass die EU mehr US-Agrarprodukte abnimmt. Das geht aus Abschriften geheimer Verhandlungsdokumente hervor, welche von Greenpeace an diesem Montag veröffentlicht wurden.

Gleichzeitig attackiere die US-Regierung das grundlegende Vorsorgeprinzip beim EU-Verbraucherschutz, der 500 Millionen Europäer derzeit vor Gentechnik und Hormonfleisch in Nahrungsmitteln bewahrt. Die Dokumente offenbaren den drei Medien zufolge zudem, dass sich die USA dem dringenden europäischen Wunsch verweigern, die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Konzernklagen durch ein öffentliches Modell zu ersetzen. Sie hätten stattdessen einen eigenen Vorschlag gemacht, der bisher unbekannt war.

Zudem verweigere Washington gezielt Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie. In einem der vertraulichen Dokumente ist SZ, NDR und WDR zufolge festgehalten, die US-Regierung „beeilte sich klarzumachen, dass Fortschritt bei Autoteilen nur möglich wäre, wenn die EU sich bei Zöllen auf Agrarprodukte bewegt“. Den USA gehe es aber nicht nur generell um mehr Agrarexporte.

Sie zielten auch auf die gentechnisch veränderten Lebensmittel, die in Europa weitgehend verboten sind. Bisher hatte es häufig – sowohl vonseiten der USA als auch aus Kreisen der EU – geheißen, Washington respektiere hier die Bedenken der Europäer. „Es ist sehr interessant zu sehen, was die USA fordern“, sagte Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, zu den Dokumenten.

Es bestätigen sich in den Texten bisher so ziemlich alle unsere Befürchtungen bezogen auf das, was die US-Amerikaner bei TTIP in Bezug auf den Lebensmittelmarkt erreichen wollen.

So wollen die Vereinigten Staaten Produktverbote zum Schutz der menschlichen Gesundheit nur zulassen, wenn diese wissenschaftlich belegt seien, heißt es in dem Bericht weiter. Europa dagegen verbietet Produkte wie hormonbehandeltes Fleisch oder Genfood häufig schon vorsorglich, bei Hinweisen auf Risiken. In den USA kommt es dagegen nicht selten erst zu Verboten, wenn Menschen zu Schaden gekommen sind.

Aus den Verhandlungstexten lasse sich ablesen, wie verhärtet die Fronten sind, berichten die drei Medien weiter: So forderten die USA beim Verbraucherschutz unter anderem, die EU solle vor einem Verbot künftig grundsätzlich „andere Möglichkeiten bewerten“, also etwa ohne ein Gesetz auskommen. Außerdem solle sie öffentlich darlegen, „ob Alternativen (zur geplanten Regulierung) den Handel deutlich weniger hemmen“. Die EU kontert, sie entscheide selbst, ob sie strittige Lebensmittel aus den USA über die Grenze lasse. Die endgültige Entscheidung, ob „der Schutz der Gesundheit gewährleistet ist, liegt allein bei der importierenden Seite“.

Ein anderer großer Streitpunkt ist die Kooperation bei der Gesetzgebung. Zuletzt hatten EU und USA den Eindruck erweckt, sich in Regulierungsfragen weitgehend einig zu sein. Die Dokumente legen laut SZ, NDR und WDR etwas anderes nahe: Während die Europäische Union in den Verhandlungstexten ihr Recht betont, Gesetze selbst zu bestimmen, will die US-Regierung dem europäischen Gesetzgeber bei Eingriffen in die Wirtschaft ein enges Korsett anlegen. Das lasse sich aus mehreren Vorschlägen ablesen.

So solle die EU Verfahren einführen, um „die Notwendigkeit für eine Verordnung“ und „Kosten und Nutzen von Alternativen“ zu erwägen. „Falls sich die Amerikaner durchsetzen, würde das europäische Gesetzgebung in Umwelt- und Verbraucherfragen erheblich erschweren“, urteilt Markus Krajewski, Professor für Öffentliches Recht in Erlangen, über die bisher unbekannten US-Vorschläge.

Seit Beginn der Gespräche vor knapp drei Jahren ist die Öffentlichkeit vor allem auf Vermutungen angewiesen, worüber beide Seiten wirklich reden. Auch deshalb protestieren inzwischen Millionen Menschen gegen TTIP. Während die EU ihre Vorschläge veröffentlicht, beharren die USA auf Geheimhaltung ihrer Positionen. Washington will sich so einen großen taktischen Spielraum erhalten.

Die von Greenpeace veröffentlichten Dokumente können Sie unter diesem Link herunterladen. Mehrere mit den Verhandlungen vertraute Personen bestätigten, dass es sich bei den nun enthüllten Dokumenten um aktuelle Papiere handelt.

Text über:
dts Nachrichtenagentur
+++ Mit herkömmlicher Werbung ist der Betrieb von StatusQuo NEWS nicht gegenfinanzierbar. Sie können jedoch aktiv daran mitwirken StatusQuo NEWS zu erhalten und weiter auszubauen, um den gängigen Mainstream-Medien weitere Marktanteile abzuringen. Wie? Ganz einfach: Spenden Sie einen Betrag ihrer Wahl für unabhängigen Journalismus oder Platzieren Sie Ihre Werbung auf StatusQuo NEWS oder stillen Sie ihren Wissenshunger und steigern Sie ihr Wohlbefinden mit Produkten aus unserem Partnershop oder führen Sie Ihre nächste Amazon-Bestellung über diesen Link aus und empfehlen Sie uns weiter. Vielen Dank. +++

Unterstützen Sie uns

Spendeninformation

*
*
*
Ihre Daten werden verarbeitet. 
Ihre Daten werden verarbeitet. 

Kontoinhaber – StatusQuo NEWS

IBAN – DE33120300001004157119

BIC – BYLADEM100

Kontonummer – 1004157119

BLZ – 12030000

Ihre Daten werden verarbeitet. 
Vielen Dank.
*
*
*
Bitte alle Pflichtfelder ausfüllen
Bitte korrekte E-Mail angeben
Bitte korrekten Geldbetrag angeben

Empfehlung

Vorheriger ArtikelMünchner Flughafen: Ex-CSU-Chef Huber droht Seehofer bei Bürgerentscheid mit Klage
Nächster ArtikelSteuertrick kostet Fiskus mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr
Kommentare
Verbraucherzentralen zu dem Leak: "Es bestätigen sich in den Texten bisher so ziemlich alle unsere Befürchtungen bezogen auf das, was die US-Amerikaner bei TTIP in Bezug auf den Lebensmittelmarkt erreichen wollen."

Die Altparteien stehen nun vor der Qual der Wahl: Entweder sie geben ihre US-Hörigkeit ein stückweit auf und folgen zur Abwechslung einmal ihrem demokratischen Auftrag oder sie werden bei der Bundestagswahl 2017 ihr blaues Wunder erleben. Die dritte Option wäre natürlich ein gut organisierter hinreichender Widerstand, der zu vorgezogenen Neuwahlen führt.

Kommentare

Benachrichtigung
1000

Sortieren:   Neu | Alt | Beliebt
2. Mai 2016 19:20

und jeder Geldgeile hat sein vorteil..Danke gut das jeder 3 fach ersetzt wird. Massen von Menschen die Unnütz sind , Das sind Millionen ..

2. Mai 2016 19:46

Man kann nur jemanden unter Druck setzen, der sich das gefallen lässt. Europa sollte die amis aus dem Land werfen und sich mit Russland verbünden. Dann wäre die USA schnell am Ende

2. Mai 2016 20:36

ATTAC beschäftigt seit Jahren damit, dadurch bin ich auch daruf aufmerksam geworden…

2. Mai 2016 22:16

Gegen TTIP !!! Nur wir können was dagegen tun. Wir sind das Volk . schreibt das IHR dagegen seit, nur so können wir gewinnen. Jeder post zählt…

2. Mai 2016 23:02

Die Bundesregierung wird als Statthalterin der USA weiterhin TTIP anstreben. Und sehr viele Leute werden 2017 trotzdem CDU und SPD wählen. Denn sie wissen nicht, was sie tun. Michael Kiesen, Autor

2. Mai 2016 23:09

Was soll man von US-Terroristen auch anderes erwarten..!!

3. Mai 2016 2:12

Sollen endlich mal aufhören dem Ami in den Hintern zu kriechen. Europa wäre eine Macht wenn anstatt Amerika eher Russland zu integrieren. Davor zittert der Amerikaner. Nicht Amerika sondern Europa wäre eine Weltmacht. Wirtschaftlich würde der Amerikaner zugrunde gehen.

wpDiscuz
StatusQuo NEWS wurde im März 2015 von Christian Schmidt in Berlin gegründet und hat sich zu einem wichtigem Medium für eine breite Gegenöffentlichkeit zur etablierten Staats- und Konzernpresse entwickelt. StatusQuo NEWS gehört keiner Partei an und begreift sich nicht als "Links/Gutmensch" oder "Rechts/Pack", sondern als Teil einer nach vorn gerichteten Bewegung der Vielfalt. Wir solidarisieren uns mit allen Staaten, Organisationen, Parteien und Gruppierungen, die für eine multi-polare, freie Weltordnung eintreten. StatusQuo NEWS bietet jeden Tag neue Nachrichten und Hintergrundanalysen zu aktuellen Themen, sowie wichtige Grundlageninformationen zum bestehenden Zinsgeldsystem.